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Mit der zunehmenden Grösse der Schiffe verwässert das Reiseerlebnis Kreuzfahrt

Dr. Johannes Bohmann stv. Chefredakteur BELLEVUE / Redaktionsleitung Kreuzfahrt

Heute im Sonntags-Interview: Johannes Bohmann, Kreuzfahrt Guide

Ihr Kreuzfahrt Guide erscheint bereits seit 2006. Sie bezeichnen ihn als das Original. Wodurch unterscheidet sich der Kreuzfahrt Guide von den beiden Mitbewerbern, auf dem deutschsprachigen Markt?

Johannes Bohmann: Zunächst mal dadurch, dass es den Kreuzfahrt Guide schon seit über zehn Jahren gibt – womit wir als erste einen echten Guide zu Kreuzfahrtschiffen in deutscher Sprache vorgelegt haben. Magazine, Bildbände und Ähnliches gab es da schon, aber eben keinen Guide. Diesen Begriff haben wir bewusst gewählt um auszudrücken: Hier geht es um Information, um Fakten, um Orientierung – und nicht so sehr um Coffee-Table-Impressionen. Die sind zwar auch drin, im Reportagen-Teil, der knapp ein Drittel des Buchs ausmacht. Aber das Kernstück sind die Porträts der Schiffe, die nach einem klaren Muster aufgebaut sind – mit Porträttext, Daten & Fakten, aktuellen Reisebeispielen (mit Preisen pro Nacht und Person) – und, last but not least, der Bewertung in sechs Kategorien. Ganz wichtig – und da unterscheiden wir uns von den Mitbewerbern: Wir vergeben keine Gesamtnote für ein Schiff, weil die Leitfrage, die wir unseren Lesern beantworten möchten, nicht heißt: Was ist das (vermeintlich) beste Schiff? Sondern: Welches Schiff passt zu mir? Und das kann der Leser, je nachdem, ob er sich mehr für tolle Gastronomie und perfekten Service interessiert – oder eher für Sport, ausgefallene Routen oder besondere Familienfreundlichkeit, anhand der Einzelnoten beurteilen. Die beiden Mitbewerber, die wir inzwischen haben (was den Nachgemachten ja immer auch ein Stück weit ehrt …), sind da mal etwas feuilletonistischer, mal etwas subjektiver in der Auswahl der behandelten Schiffe. Wir versuchen, jedes Jahr alle die Schiffe vorzustellen, die unserer Meinung nach relevant sind für die deutschsprachigen Märkte. Die Carnival-Cruiser etwa, die nur in der Karibik fahren und fast ausschließlich mit amerikanischem Publikum, tauchen deshalb nur am Rande auf – zu Gunsten ausführlicher Porträts etwa einer Berlin, einer Ocean Majesty, einer Bremen oder aller AIDAs und aller TUI Cruises-Kreuzer. Oder auch derjenigen MSC- oder Costa-Schiffe, die im jeweiligen Berichtsjahr ab einem deutschen oder einem nahe gelegenen Mittelmeerhafen kreuzen. Ach ja, vielleicht noch eine Unterscheidung: Flussschiffe erhalten bei uns mehr Raum, nicht zuletzt in Form von zwei Dutzend aktuellen Porträts – die gehören ja schließlich auch dazu.

17 Journalisten waren für den Kreuzfahrt Guide auf den Meeren und Flüssen unterwegs. Welche Highlights erwarten die Leserinnen und Leser in Ihrem Kreuzfahrt-Führer?

Dass die Hingucker des Jahres, AIDA Prima und Harmony of  the Seas, im Reportagen Teil ausführlich gewürdigt werden, war natürlich gesetzt. Ebenso die neue Seven Seas Explorer von Regent, auf der wir ebenfalls live dabei waren. Aber Unerwartetes – auch für uns – kam auch zustande: eine Orkanfahrt mit der Mein Schiff 4 vor Norwegen etwa, die der Kapitän so bravourös handelte, dass eine herrliche Story daraus wurde.  Oder eine Yacht Cruise durch den Panama-Kanal, die ein deutscher Charterer im Programm führt. Spektakulär auch: eine Safari, Auge in Auge mit Krokodilen und Elefanten, durch Botswana und Namibia auf einem Flusskreuzer, der Chobe Princess. Oder mein persönliches Wow-Erlebnis: Norwegen mit dem neuen Schiff von Hurtigruten zur Mittsommernacht – das war eine Reise, auf der ich kaum geschlafen habe, weil die Sonne eben nicht unterging … Neu im Guide ist übrigens eine Destinations-Reportage am Ende des Reportagen-Teils: Sie behandelt Miami und Süd-Florida und gibt handfeste Insider-Tipps für einen Wochen-Aufenthalt vor oder nach einer Kreuzfahrt ab Miami. Dass sowas authentisch nur wird, wenn man es selbst erlebt und getestet hat, ist übrigens auch der Grund für die stattlichen 17 Autoren: Wir berichten immer aus erster Hand von vor Ort, auch bei den Schiffsporträts.

116 Hochseeschiffe und 25 Flussschiffe in sechs Kategorien wurden im Kreuzfahrt Guide bewertet. Einige davon wurden gar mit dem Kreuzfahrt Award ausgezeichnet. Nach welchen Kriterien bewerten Sie die Schiffe und hat es gegenüber dem Vorjahr markante Veränderungen in positiver wie negativer Hinsicht gegeben?

Die Kriterien sind Infotainment & Entertainment, Sport & Wellness, Gastronomie, Service, Familienfreundlichkeit und das Routing  bei den Seeschiffen – und Kabinen & Raumanagebot, Ausflüge & Programm, Gastronomie sowie Service auf dem Fluss, wo wir Sport & Wellness, Entertainment und Familie weglassen, weil es da nachvollziehbarerweise wenig Sinn macht. Veränderungen gegenüber dem Vorjahr? Nun ja, die Neuen übertrumpfen ja meistens die bereits Fahrenden: Die AIDA Prima hat bei den Awards (die übrigens eine unabhängige 12-köpfige Jury aus Kreuzfahrtjournalisten vergibt) doppelt abgeräumt – mit den Awards für Sport & Wellness ebenso wir für die Familienfreundlichkeit. Beim Entertainment war, wenig überraschend, die Harmony of the Seas vorne. Nur bei der Gastronomie war die Jury wie schon seit drei Jahren der Meinung: Besser als die Europa 2 ist in dieser Disziplin noch immer kein anderes Schiff. Einen Überraschungssieg konnte die Amadea von Phoenix Reisen einheimsen, und zwar für ihr Routing – das, schauen Sie mal genau in den Katalog, wirklich sensationell ist. Überraschend deshalb, weil man irgendwie zu glauben scheint, dass die Oldies bei solchen Preisen leer ausgehen. Aber was für eine unkonventionelle, im Geiste „junge“ Firma Phoenix ist, können Sie auch in meinem Interview nachlesen, das ich mit dem Gründer Johannes Zurnieden und seinem Nachfolger Benjamin Krumpen geführt habe. Und – was mich sehr freut: „Flussschiff des Jahres“ wurde die Elbe Princesse von Croisi Europe, die dank ihres Schaufelradantriebs jetzt auch zwischen Prag und Dresden fahren kann, wenn der Fluss mal wieder Niedrigwasser führt. Toll, das so eine uralte Technik auf diese Weise zu neuem Glanz kommt. Auf der Loire hat Croisi Europe das ja schon ausprobiert – und jetzt eben auf der Elbe: absolut preiswürdig! Nochmal meinen Glückwunsch an die Straßburger dazu!

Ich sitze am Computer oder in der Buchhandlung und überlege mir, welchen der drei deutschsprachigen Kreuzfahrt Guides ich kaufen soll. Weshalb sollte es gerade der Kreuzfahrt Guide 2017 sein?

Weil er übersichtlich ist, weil seine Systematik klar und rasch zu begreifen ist, weil er alles behandelt, was für deutschsprachige Kreuzfahrtfans von Belang ist … und weil er mit einer Erfahrung von über 10 Jahren gemacht wird. Ich denke, das Solide und Verlässliche daran darf ich als Vorzug begreifen.

66 neue Kreuzfahrtschiffe sind in den nächsten zehn Jahren geplant und ein Ende ist noch kaum in Sicht? Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Ehrlich gesagt: mittlerweile ein wenig skeptisch. Weil mit der zunehmenden Größe der Schiffe das eigentliche Reiseerlebnis Kreuzfahrt verwässert – zugunsten des Erlebnisses „schwimmender Funpark“. Das erschließt natürlich neue Zielgruppen, und das ist auch gut so. Aber irgendwann haben alle die wenigen Häfen, die die Großen anlaufen können, gesehen – und was dann? Stichwort Häfen übrigens: Das Overcrowding an Orten wie Venedig, Dubrovnik, Santorin oder sogar Barcelona ist ein wachsendes Problem, das dem Image der Kreuzfahrt Probleme bereiten könnte. Na ja, und dass der Verdrängungswettbewerb irgendwann auch zum Preiskampf werden kann, mag zwar zugunsten der Portemonnaies der Passagiere ausfallen, aber die Qualität des Produkts wird dabei sicher nicht ungeschoren bleiben. Da muss die Branche aufpassen und vielleicht auch mal den Mut haben zu sagen: weniger ist mehr.

Was ist Ihr persönliches Kreuzfahrt Highlight?

Eines, das nun schon über 20 Jahre zurückliegt: eine Sturmfahrt draußen im Atlantik auf der Sea Cloud. Sechs Stunden, davon drei Stunden lang Windstärke zwölf. Keine Flasche, die noch im Regal stand, Filippinos unter Deck, die anfingen zu beten … Während dessen Captain Herwig von der Brücke aus beruhigte, wir seien auf der alten Lady „so sicher wie in Abrahams Schoß“. Wir waren es auch, davon bin ich absolut überzeugt. Aber ehrlich gesagt: Mir haben die Knie auch geschlottert wie nie wieder. Aber das Gute: Ich weiß seither, dass ich wohl seefest bin: Mein Magen hielt stand …

1 Antwort

  1. Ich sehe auch die Größe als Problem, es geht ein Stück des Wohlgefühls verloren, auf den kleineren war man Familie, auch für die Besatzung ist die Belastung immer grösser, da es weniger gibt, von Umweltbelastungen ganz zuschweigen, 3 mal gefahren dies sind nur grobe Angaben

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