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Kreuzfahrt boomt – und die Umwelt?

Schiffsabgase sind eine Belastung für Umwelt und Gesundheit. (Bild Stieger)

„Umweltsünder Kreuzfahrtschiff“, „Kreuzfahrtschiffe sind riesige Dreckschleudern“ oder „Kreuzfahrt-Traumreise auf der Dreckschleuder“: Dies nur drei Titel von Medienmeldungen über Kreuzfahrtschiffe in den letzten Monaten. Die Liste liesse sich beliebig verlängern und ergänzen. Sind Kreuzfahrtschiffe wirklich nur Dreckschleudern, verpesten die Luft, verdrecken die Meere? Eine differenzierte Betrachtungsweise.

Von Hans Stieger, Stiegers Kreuzfahrt Tipps

Zuerst einmal muss festgestellt werden, dass es natürlich viel einfacher und vor allem wirksamer ist, Kreuzfahrtschiffe die Tausende von Passagieren transportieren an den Pranger zu stellen, als die Frachtschifffahrt. Es ist für einige Medien unproblematischer mit der Kreuzfahrt als Dreckschleuder zu argumentieren, als mit den Frachtschiffen. Dabei muss deutlich klargestellt werden, dass die Kreuzfahrtschiffe „nur“ gut 0,5-0,75 % der weltweit gut 70‘000 Schiffe ausmachen die auf den Weltmeeren unterwegs sind. Aber und dies ist ebenso klar: Die wenigen Tausend Kreuzfahrtschiffe sind natürlich nicht so sauber wie sie sein könnten und viele davon sind noch immer mit dem wenig umweltverträglichen Schweröl unterwegs.

Schweröl ist günstiger als der umweltfreundlichere Marinediesel

Warum wählen die Kreuzfahrtreedereien Schweröl, statt dem saubereren Schiffsdiesel. Die Antwort ist einfach: Marinediesel mit einem Schwefelgehalt von 0,1 % (Schweröl 3.5 %) ist fast doppelt so teuer. Zum Vergleich: Der Schwefelgehalt von Schweröl liegt um Faktor 3’500 über dem Grenzwert für Autos. Aber der Druck auf die Kreuzfahrtveranstalter steigt: Denn gemäss einer neuen Vorschrift der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO (eine Abteilung der UNO) dürfen Schiffe ab 2020 den Schwefelgehalt von 0,1 % nicht mehr übersteigen. Allerdings – und dies ist schon wieder eine Einschränkung – die 0,1 % gelten in Europa für Schutzgebiete wie die norwegischen Fjorde oder die Ostsee, aber beispielsweise nicht für das Mittelmeer wo der Grenzwert ab 2020 noch immer bei 0,5 % liegen wird. In deutschen Häfen gilt seit 2010 ein Schwefel-Grenzwert von 0,1 % im Treibstoff. Diesen Vorschriften muss die Kreuzfahrt-Industrie Rechnung tragen. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder tanken sie ihre Schiffe mit dem teureren, aber umweltfreundlicheren Schiffsdiesel oder sie fahren weiter mit dem günstigen Schweröl (bleibt in den Raffinerien als Bodensatz/Abfall bei der Produktion von Benzin und Heizöl übrig). Dann müssen sie alternativ Abgasreinigungssysteme wie Scrubber oder Katalysatoren in ihre Schiffe einbauen um die von der IMO geforderten Grenzwerte zu erreichen. Auch das ist allerdings nicht ganz günstig und einfach. Zum einen fehlt auf vielen älteren Schiffen der Platz für Abgasreinigungssysteme, zum anderen kostet so ein Scrubber zwischen 2 und 4 Millionen Euro.

Rund 90 % der Handelsgüter werden auf Schiffen transportiert

Vielen ist nicht bekannt, dass fast 90 Prozent der weltweit gehandelten Güter von Schiffen auf den Weltmeeren oder Flüssen transportiert werden. Ob Bananen, elektronische Geräte und Billigklamotten aus Fernost, Gas, Erdöl und vieles, vieles mehr wird mit Schiffen transportiert. Entsprechend gross ist der Verbrauch von Treibstoff. Schätzungen gehen von jährlich 370 Millionen Tonnen aus, was natürlich im Umkehrschluss auch eine riesige Menge an Schadstoffen bedeutet. Über eine Milliarde Tonnen Schadstoffe stossen die Schiffe jährlich aus, was rund drei Prozent der weltweiten CO2 (Kohlenstoffdioxid) Emissionen ist (zum Vergleich: Beim Straßenverkehr sind es etwa 17 Prozent, bei den Flugzeugen etwas über 2 Prozent). Aber nicht nur der CO2 Ausstoss ist problematisch, noch schlimmer sind die hohen Stickoxid- und Schwefelabgaben. Laut der Internationalen Schifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) ist die Schifffahrt für 15 Prozent der weltweiten Stickoxide und 13 Prozent des weltweiten Schwefeloxids verantwortlich. Also nicht wirklich wenig und damit wird auch mehr als deutlich klar, dass die Schifffahrt viel – und dies möglichst rasch – unternehmen muss, um die Schadstoffmengen massiv und deutlich zu verringern.

LNG die Lösung der Zukunft für die Kreuzfahrtbranche?

Ist LNG (Liquified Natural Gas oder auf Deutsch Flüssigerdgas) die Lösung für die Zukunft? Soll LNG statt dem umweltverpestenden Schweröl oder dem umweltverträglicheren Marinediesel helfen, die Umwelt sauberer zu machen? LNG gilt in weiten Kreisen aufgrund seiner positiveren Umweltbilanz als der Schiffstreibstoff der Zukunft, um die kommenden strengeren Umweltauflagen einzuhalten. Bei der Verbrennung von LNG werden etwa 20-25 % weniger Kohlendioxid (CO2) und sogar etwa 80 % weniger Stickoxide NOx ausgestoßen. Schwefeloxide und Rußpartikel/Feinstaub werden sogar fast zu 100 % reduziert.

Aber natürlich ist auch bei LNG nicht alles Gold was glänzt. Erdgas ist nicht erneuerbar, die CO2 Problematik ist zwar reduziert aber nicht gelöst. LNG enthält 80-95 % Methan, das beim Fördern, produzieren, laden, betanken und verbrennen in kleinen Mengen entweichen kann (sogenannter Methanschlupf). Methan hat ein 30 mal höheres Treibhauspotential als CO2, womit sich die Reduktion des Schwefelausstosses ein wenig relativiert. Trotzdem ist LNG ein Weg in die richtige Richtung.

Meyer Werft forscht seit Jahren für sauberere Kreuzfahrtschiffe

Als Vorreiter für diese neue Form des Schiffsantriebs gilt die Meyer Werft in Papenburg. Zehn Jahre Forschung und Entwicklung stecken im ersten LNG-Schiff der AIDA Nova, die in wenigen Wochen erstmals auf Fahrt geht. LNG bedeutet für die Kreuzfahrtschiffe eine andere Konstruktion, benötigen doch die Flüssigtanks rund zweieinhalb Mal soviel Platz wie die Dieseltanks (deshalb ist es nicht möglich, in alten Schiffen die Tanks einfach durch Flüssiggastanks zu ersetzen). In den drei Tanks der AIDA Nova werden mehr als 3‘000 Kubikmeter flüssiges Erdgas bei minus 162 Grad gelagert, da das Gas bei dieser Temperatur flüssig wird. Auch sind hohe Anforderung an Material und Komponenten erforderlich, damit ein Gasaustritt verunmöglicht wird.

Neben AIDA Kreuzfahrten setzen auch Costa Cruises, Royal Caribbean International, P&O Cruises und die Disney Cruise Line auf die LNG-Erfahrung der Meyer Werft. Zwölf Kreuzfahrtschiffe mit der neuen Technik haben die Papenburger in ihren Auftragsbüchern und sind damit Marktführer. Aber auch der Schweizer Marktführer MSC Kreuzfahrten hat bereits fünf LNG-Schiffe bestellt. Auch Princess Cruises setzt für die neuen Schiffe auf die LNG Technologie. Insgesamt sind über 30 Kreuzfahrtschiffe mit LNG-Antrieb bestellt.

Waserstoff statt Schweröl – die Technologie der Zukunft?

Andere Schifffahrtstechnologien der Zukunft sind Batterien und Hybridmotoren. Aktuell sind Batterien, die viel Platz benötigen nur im Passagiertransport auf kurzen Strecken im Einsatz, also keine Alternative für die grössten Kreuzfahrtschiffe und Frachter. Hybridmotoren (das erste Expeditionssschiff mit Hybridmotoren wird die Roald Amundsen von Hurtigruten sein) können Umweltemissionen zwar reduzieren, aber nicht komplett eliminieren. Deshalb wurde in den letzten Jahren intensiv an einer neuen Technologie geforscht: Wasserstoff. Wasserstoff würde weniger Platz als Batterien benötigen. „Wir glauben, dass Wasserstoff die Energie der Zukunft ist, die in flüssigem LOHC-Öl gespeichert werden kann. Vorteilhaft ist, dass sich LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) ähnlich wie Diesel lagern und transportieren lässt. Diese Technologie ist ein Durchbruch auf dem Weg zu einer saubereren Umwelt“, sagt Holger Kahl, Geschäftsführer von Nobiskrug. LOHC ist effizient, schwer entflammbar und nicht explosiv, auch wenn es mit Wasserstoff beladen ist. Die LOHC-Technologie von H2-Industries ermöglicht an Bord den sicheren und effizienten Betrieb einer Brennstoffzelle. Sie wandelt den Wasserstoff, der aus dem LOHC gelöst wird, in Strom um, der vom Schiff genutzt wird. Dank des LOHC-Systems kann das Schiff von einem lautlosen Elektromotor angetrieben werden. Es werden keine CO2- und NOx-Emissionen abgegeben. Ob diese neue Technologie mehrheitsfähig sein wird, hängt – wie könnte es anders sein – stark von den Kosten ab. Felix Büchi vom Paul Scherrer-Institut zeigte sich gegenüber der „Schweiz am Wochenende“ skeptisch. „Schon heute, wo die meisten Schiffe mit dem billigsten Treibstoff Schweröl fahren, machen die Energiekosten einen Grossteil der Betriebskosten aus“. Wie auch der Schweizer Kreuzfahrtexperten Thomas P. Illes sieht Büchi nur dann eine Chance für den Einsatz von umweltfreundlicheren – heute noch teureren – Energiestoffen in der Schifffahrt, wenn eine staatliche Regulierung von fossilen Treibstoffen erfolgt.

Für eine sauberere Umwelt müssen wir bereit sein für die Kreuzfahrt mehr zu bezahlen

Es bleibt dabei: Kreuzfahrtschiffe – aber natürlich auch Frachter, Containerschiffe, Flussschiffe und Tanker – müssen effizienter und schädliche Abgase deutlich reduziert werden. Diesen Herausforderungen der Gegenwart, für eine Zukunft in der wir alle weiterhin leben möchten, müssen sich die Reedereien und wir alle uns stellen. Die Schiffe müssen die technische Energiewende umsetzen, die Häfen müssen die Infrastruktur für neue technologische Errungenschaften bereitstellen und wir alle müssen bereit sein, für eine Banane, Kleider oder ein elektronisches Gerät ein paar Rappen/Cents und für die nächste Kreuzfahrt ein paar Euro/Franken mehr zu bezahlen.

 

0 Antworten

  1. […] Die Hochseetouristik ist eines der am schnellsten und stärksten wachsenden touristischen Segmente der letzten Jahre. Gleichzeitig bringt dieser Boom eine Reihe von Herausforderungen mit sich – namentlich in Bereichen wie Umwelt/Nachhaltigkeit, Sicherheit, Logistik oder beim Thema Overtourism. Einen ausführlichen Beitrag über das Thema Kreuzfahrtschiffe und Umwelt findest Du hier. […]

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