Gallorömische Amphitheater am Ufer, Amazonas-Feeling und jede Menge flüssiges Gold – am Steuerrad durch den Westen Frankreichs. Mit dem Hausboot durch das Tal der Charente, im Südwesten Frankreichs in der Region Nouvelle-Aquitaine . Schon ab 1’918 Euro für maximal 12 Personen.
Der nagelneue Steg knarzt. Es sind nur noch wenige Meter, bis aus Landratten Kapitäne werden. „Herzlich willkommen an Bord, Bienvenue“, begrüßt Christophe Vautrin die Crew der fünfzehn Meter langen Damazan. Christophe ist Leiter der neuen Locaboat-Basis in dem kleinen westfranzösischen Städtchen Saintes, von dem aus Urlauber seit dem Jahr 2024 zu wasserreichen Abenteuern auf der Charente aufbrechen.
Auf mehr als hundert Kilometern können der wildromantische Fluss und mit ihm jede Menge kulturelle Wegpunkte sowie die berühmte Region des Cognac entdeckt werden. Doch bevor die Leinen gelöst werden, warten noch eine ausführliche Einweisung und eine Probefahrt auf die Bootsneulinge – mit dem Ziel, die sogenannte Carte de Plaisance zu erhalten. Sie ist der Schlüssel, um das rund 50 PS starke Hausboot führerscheinfrei durch die malerischen Landschaften der Region Nouvelle-Aquitaine zu steuern.
Zwischen historischem Erbe und wilden Weinbergen
Während es am Abend bei der Einweisung von Christophe noch regnete, hat es über Nacht abgekühlt – und aufgeklart. Drinnen bollern die Heizkörper, bis die Vorhänge aufgezogen werden und die ersten Sonnenstrahlen die Kabinen und den großen Salon mit Licht und Wärme füllen. Mit frischen Croissants und Baguette von der örtlichen Boulangerie wartet ein genussvolles Frühstück auf die Hobbyseefahrer, bevor der Dieselmoter unter einem lauten Piepton zum Vorglühen und Losgluckern gebracht wird. Zunächst vorne, dann wird hinten die Leine gelöst und der Steuerhebel in Vorwärtsposition gelegt.
Die Sonne voraus bahnt sich die fünfzehn Meter lange Damazan den Weg durch die alte Bogenbrücke und vorbei an der Altstadt von Saintes gen Osten. Vom Wasser wird der Blick frei auf den prächtigen Germanicusbogen der Stadt, einem römischen Ehrenbogen, der im Jahr 18 oder 19 nach Christus für Kaiser Tiberius und dessen Söhne errichtet wurde. Kurze Zeit später liegt die Stadt achteraus und das Hausboot tuckert mit entschleunigenden zehn Stundenkilometern durch eine ganz neue Szenerie. Immer wilder wird die Charente auf dem Weg in den kleinen Ort Dompierre-sur-Charente. Sanfte Weinberge lugen zwischen immer dichter wachsenden Uferbewuchs hindurch. Die betagten und knochigen Äste der Bäume bahnen sich ihren Weg fast bis zur Flussmitte und machen das ein oder andere Manöver nötig.
Eine gute Vorbereitung auf die erste Schleuse, die direkt vor einem urigen Mühlenrestaurant in der Ortschaft Chaniers volle Konzentration und alle Hände der Bootsfahrer fordert. Die Premiere ist geglückt, auch dank der Hilfe des hiesigen Schleusenwärters. Mit dieser Erfahrung und einem Tipp von Christophe werden auch die handbetriebenen Schleusen auf den kommenden Etappen gut zu schaffen sein. „Das A und O sind die Vorbereitung und die Geschwindigkeit. Langsam und mit Voraussicht in die Schleuse fahren, zudem ein ordentlich zusammengelegtes Leinenwerk bereithalten“, empfahl der Hausbootprofi bei der Einweisung.
Gebranntes am Wasser oder: Cognac in allen Himmelsrichtungen
Um Punkt neun Uhr ertönt das Schiffshorn. Es ist neblig an diesem Samstagmorgen, als die Damazan vom hölzernen Steg unweit einer alten Seilfähre ablegt und die immer geübtere Vierer-Crew das Hausboot über die Charente manövriert. Knapp drei Stunden geht es vorbei an kleinen Flussinseln und Weinbergen, durch dichte Wälder und typische französische Dörfer, die aus der Zeit gefallen scheinen. Pünktlich zur Mittagszeit macht ein großes steinernes Gebäude mit der Aufschrift Hennessy klar, dass das Ziel des heutigen Tages erreicht ist. Die Hauptstadt des Cognacs: Cognac.
Gekonnt wird die Bugleine am Poller befestigt und das Hausboot in die sogenannte Vorspring eingedampft. Dann geht es mit einem kleinen Schlenker durch das hübsche Stadtzentrum, das bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts lediglich ein bescheidenes Dorf war. Aufgrund seines Binnenhafens wurde es im Mittelalter zu einem großen Handelszentrum, in dem Meersalz, Wein und natürlich der berühmte Branntwein umgeschlagen wurde. Beim Spaziergang über die Pflasterstraßen von Vieux Cognac fallen vor allem die bürgerliche Architektur aus dem 18. und 19. Jahrhundert und eine der schönsten Markthallen weit und breit in die Augen. Doch berühmt ist die Stadt vor allem für ihre großen Cognac-Häuser: Rémy Martin, Martell und Hennessy. Letzteres ist der Platzhirsch und lädt zu einer spannenden Führung durch die heiligen Hallen ein, die beide Ufer der Charente säumen. Teil des goldenen Erlebens sind eine kurze Bootsfahrt im eigenen Hennessy-Kahn zum Cognac-Keller mitsamt Blick auf die teils jahrhundertealten Fässer sowie eine Virtual-Reality-Tour durch die Geschichte des 1765 gegründeten Unternehmens. Dabei beeindruckt vor allem der kuriose Fakt: „Mehr als 95 Prozent des Cognacs wird in die Welt exportiert. Nur wenig verbleibt in der Region“, wie ein Mitarbeiter der Hennessy-Destillerie erwähnt.
Nach einem gemütlichen Kaffee an Deck der Damazan, die vom spätsommerlichen Licht warm umhüllt wird, wird der Motor gestartet und der Geburtsort des einstigen französischen Präsidenten François Mitterrand, die Stadt Jarnac, auf Kurs gesetzt. Bereits wenige Meter nach dem Ablegen wartet erneut eine Schleuse. Dank eines entgegenkommenden Hausboots ermöglicht das passende Wasserniveau eine direkte Einfahrt, so dass die Durchfahrt schnell erledigt ist. Es geht vorbei an schmucken Dörfchen namens St Brice oder Bourg-Charente und erneut durch tiefe Wälder, die im Licht der inzwischen tiefstehenden Sonne eine mystische Kulisse bilden und die gesamte Mannschaft an Deck locken. Gute zwei Stunden später ist der kleine Hausboothafen des Fünftausend-Einwohner-Städtchens erreicht.
Auch in Jarnac ist die Cognac-Geschichte und -Produktion allgegenwärtig – überraschenderweise jedoch eng verbunden mit Skandinavien. Am linken Flussufer liegt das stolze Anwesen der Destillerie von Tiffon-Braastad, einem bis heute währenden Familienunternehmen. 1875 gründete der aus Norwegen stammende Sverre Braastad, der sich kurz zuvor in Cognac niederließ, die Maison Braastad. Seitdem hat die Familie ihr Fachwissen von Generation zu Generation weitergegeben und das Familienerbe in der Welt des Cognacs fortgeführt. Heute baut die Familie 40 Hektar große „Grande Champagne“- und „Fins Bois“-Weinfelder an und produziert aus der Ernte ihren Branntwein, der ausschließlich aufgrund seiner Verortung in der Region Cognac auch Cognac genannt werden darf. Anders als in anderen Destillerien der Cognac-Region gibt es bei Tiffon-Braastad die Möglichkeit, im Rahmen einer individuellen Führung einen exklusiven Blick in die Produktion zu werfen und den Prozess des doppelten Brennens hautnah zu erleben.
Die Reiseregion: Das Tal der Charente
Das Tal der Charente liegt im Südwesten Frankreichs in der Region Nouvelle-Aquitaine und grenzt im Norden an die Départements Deux-Sèvres und Vienne, im Osten an Haute-Vienne, im Südosten an das Département Dordogne und im Westen an das Département Charente-Maritime. Sein Namensgeber ist der Fluss Charente, der bei Chéronnac (Haute-Vienne) entspringt und nach rund 360 Kilometern bei Rochefort (Charente-Maritime) in den Atlantischen Ozean mündet. Ab Angoulême ist die Charente auf 150 Kilometern Länge schiffbar. Dreh- und Angelpunkt ist die Stadt und Region Cognac mit seinem weltberühmten Weinbrand. Weitere sehenswerte Städte sind die französische Comic-Hauptstadt Angoulême, das historische Saintes und die Stadt Jarnac, Geburtsort des früheren Staatspräsidenten François Mitterrand.
Anreise: Die Anreise zur Locaboat-Basis in Saintes ist mit dem Auto über die französische Autobahn A10, mit dem TGV über Paris und Angoulême oder mit dem Flugzeug über die Metropole Bordeaux möglich. Die Anreisezeit beträgt je nach Wahl des Verkehrsmittels und Startort zwischen acht und zwölf Stunden.
Das Hausboot: Die Damazan ist eine Pénichette Panoramic 1500 FB und gehört zu den größten Hausbooten des Anbieters Locaboat. Es können bis zu zwölf Personen in vier mit eigenen Bädern (Dusche/WC) und Heizkörpern ausgestatteten Kabinen reisen. Neben einer Küche und einem großen Salon, in dem auch ein Innensteuerstand untergebracht ist, gibt es im Außenbereich eine sogenannte Flying Bridge mit Außensteuerstand und Bimini. Neben diesem Hausboot stehen in Saintes weitere Bootstypen in verschiedenen Größen bereit.
Kosten: Die Preise für einen einwöchigen Hausbooturlaub ab/bis Saintes betragen je nach Saison und Bootstyp ab 1.918 Euro für alle Reiseteilnehmer.
Weitere Informationen: www.locaboat.com, www.charentestourisme.com