Die Vorstellung von einer glitzernden Weite, die von majestätischen Kreuzfahrtschiffen durchpflügt wird, gehört für viele zum Inbegriff des Mittelmeer-Glamours. Besonders die Französische Riviera, mit ihren azurblauen Gewässern und ihren eleganten Küstenstädten wie Cannes, Nizza und Villefranche-sur-Mer, zieht jedes Jahr unzählige Besucherinnen und Besucher an, darunter eine wachsende Zahl von Kreuzfahrern. Doch der Boom des Kreuzfahrt-Tourismus hat nicht überall Begeisterung ausgelöst. Immer häufiger melden sich Stimmen zu Wort, die sich um die Umwelt, die lokale Infrastruktur und die Atmosphäre der Region sorgen. Nun ist ein Wendepunkt erreicht: Neue, strengere Regeln sollen die Zukunft der Kreuzfahrten an der Côte d’Azur neu definieren.
Der Ruf nach Veränderung: Als ein Bürgermeister zum Kapitän wurde
Die Debatte um die Auswirkungen grosser Kreuzfahrtschiffe erreichte im Sommer dieses Jahres einen vorläufigen Höhepunkt. Christian Estrosi, der engagierte Bürgermeister von Nizza, sorgte für Schlagzeilen, als er persönlich in einem Schlauchboot zu der vor der Küste liegenden Voyager of the Seas eilte. Seine lautstarke Forderung an die Besatzung, das Schiff möge die Gewässer verlassen, ging um die Welt. Mit dieser unkonventionellen Aktion wollte Estrosi ein starkes Zeichen setzen.
Er begründete seine Ablehnung der Mega-Cruiser mit dem Schutz der Biodiversität, den Sorgen um das Klima und der Notwendigkeit, einen verantwortungsvollen Tourismus zu fördern. Auch wenn ein Gericht seine direkten Massnahmen zunächst ausser Kraft setzte und auf die Zuständigkeit der regionalen Präfekten verwies, machte sein Einsatz deutlich, dass der wachsende Kreuzfahrtverkehr bei einem nicht unerheblichen Teil der lokalen Bevölkerung an Akzeptanzgrenzen stösst. Es war ein Weckruf, der die Notwendigkeit einer umfassenden Regulierung unterstrich.
Ein Konsens wird gesucht: Die Präfektur übernimmt das Ruder
Angesichts der zunehmenden Spannungen und der Dringlichkeit, einen Ausgleich zwischen ökonomischen Interessen und ökologischen sowie sozialen Anliegen zu finden, haben die für die Schifffahrt zuständigen Präfekte des Départements Alpes-Maritimes die Initiative ergriffen. Laurent Hottiaux, der regionale Präfekt, und Christophe Lucas, der Meerespräfekt für das Mittelmeer, haben einen umfassenden Konsultationsprozess eingeleitet. Dies berichtet The Maritime Executive
Sie bezogen dabei verschiedene Akteure ein: von den lokalen Stadtverwaltungen über die Handelskammer und Wirtschaftsverbände bis hin zur internationalen Kreuzfahrtvereinigung Cruise Line International Association (CLIA). Ziel war es, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, die sowohl die wirtschaftliche Bedeutung der Kreuzfahrt respektiert als auch die Lebensqualität der Bevölkerung und den Schutz der einzigartigen Natur der Französischen Riviera gewährleistet. Das Ergebnis dieser Beratungen sind neue Regeln, die nun zur öffentlichen Stellungnahme vorgelegt und anschliessend in einem Präfektur-Erlass finalisiert werden sollen.
Die neuen Regeln: Was du als Kreuzfahrer wissen solltest
Die neuen Vorschriften markieren eine deutliche Veränderung für Kreuzfahrthäfen wie Cannes, Nizza und Villefranche-sur-Mer. Für dich als Kreuzfahrer sind diese Einschränkungen von grosser Bedeutung, da sie die Planung und das Erlebnis deiner Reise beeinflussen können. Hier sind die wichtigsten Punkte, die du beachten solltest:
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Maximale Passagierzahl pro Hafenanlauf: Zukünftig dürfen Kreuzfahrtschiffe in den genannten Häfen die maximale Passagierzahl von 3’000 nicht überschreiten. Dies soll die Belastung für die städtische Infrastruktur und die Umwelt reduzieren.
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Begrenzung grosser Schiffe: Pro Tag darf pro Hafen nur noch ein einziges Kreuzfahrtschiff anlegen, das mehr als 1’300 Passagiere befördert. Diese Massnahme zielt darauf ab, die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer “Giganten der Meere” zu vermeiden und eine Überfüllung der Häfen zu verhindern.
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Jährliche Ausschiffungsquote: Im Jahresdurchschnitt müssen die Kreuzfahrten mindestens 2’000 Passagier-Ausschiffungen pro Anlauf und Hafen generieren. Dies soll sicherstellen, dass die Anläufe auch eine tatsächliche Wertschöpfung für die lokale Wirtschaft bedeuten.
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Kontingent für die Hochsaison: Während der touristischen Hauptsaison, in den Monaten Juli und August, wird die Anzahl der monatlichen Schiffsanläufe auf maximal 15 pro Hafen begrenzt. Dies dient dazu, die touristische Hochphase für die lokale Bevölkerung erträglich zu halten.
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Förderung nachhaltiger Kreuzfahrten: Die Präfektur setzt auf Nachhaltigkeit. Ab dem Jahr 2025 sollen Kreuzfahrtschiffe und Reedereien, die sich zur “Charta für nachhaltige Kreuzfahrten im Mittelmeer” bekennen, bevorzugt behandelt werden. Diese Charta verpflichtet die Schifffahrtsunternehmen, umweltfreundlichere Kraftstoffe zu nutzen und Emissionen zu minimieren, insbesondere wenn die Schiffe im Hafen liegen oder nahe der Küste ankern. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines umweltbewussteren Kreuzfahrt-Tourismus.
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Massnahmen bei Luftverschmutzung: Die Behörden haben auch Vorkehrungen für den Fall erhöhter Luftverschmutzung getroffen. Bei einer sogenannten “Level 1”-Einstufung müssen Kreuzfahrtschiffe ihre Emissionen bereits drei Seemeilen vor der Küste reduzieren. Sollte die Luftverschmutzung eine “Level 2”-Meldung erreichen, ist eine noch drastischere Massnahme vorgesehen: Der geplante Kreuzfahrt-Stopp muss dann vollständig abgesagt werden.
Diese umfassenden Regeln zeigen, dass die Präfektur eine Balance finden möchte. Einerseits möchte sie den Tourismus nicht gänzlich abwürgen, da viele Anläufe zwei Jahre im Voraus gebucht werden und eine wichtige Einnahmequelle darstellen. Andererseits erkennt sie die Notwendigkeit an, die “Tranquilität” der lokalen Bevölkerung zu wahren und Umweltbedenken ernst zu nehmen. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Vorschriften ausschliesslich für Kreuzfahrtschiffe gelten und Fährverbindungen davon unberührt bleiben.
Ein Blick in die Zukunft: Nachhaltigkeit als Leitstern
Die Einführung dieser Regeln ist ein klares Signal: Die Französische Riviera möchte die Schönheit ihrer Küsten bewahren und gleichzeitig ein attraktives Reiseziel bleiben. Die Fokussierung auf nachhaltige Kreuzfahrten ist dabei ein zentraler Pfeiler dieser neuen Strategie. Indem Reedereien, die sich zu umweltfreundlicheren Praktiken verpflichten, bevorzugt werden, setzt die Region einen Anreiz für die gesamte Branche, ihre Standards zu verbessern.
Für dich als Kreuzfahrer bedeutet dies, dass du in Zukunft möglicherweise bewusster über deine Reiseentscheidungen nachdenken kannst und dich für Anbieter entscheidest, die sich diesen nachhaltigen Zielen verpflichtet fühlen. Die Präfekte zeigten sich zuversichtlich, dass dieser neue regionale Rahmen die lokalen Anliegen mit den wirtschaftlichen Aspekten der Kreuzfahrt in Einklang bringen wird – für eine Zukunft, in der sowohl Reisende als auch Einheimische die Französische Riviera in vollen Zügen geniessen können.









