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Venedig, Barcelona und Dubrovnik leiden unter Massentourismus

Die Viking Star in Venedig (Bild Viking Cruises)

Beliebte Städte-Highlights wie Venedig, Barcelona, Bergen und Dubrovnik, aber auch andere Destinationen wie Santorini, Capri, Mallorca oder die aus dem Film „The Beach“ mit Leonardo di bekannte Maya Bay eint ein gemeinsames Problem: Massentourismus oder auch Overtourism genannt. Billigflüge und Airnb Unterkünfte haben das Reisen massiv günstiger gemacht. Kreuzfahrtschiffe spucken täglich Tausende von Touristen an einem einzigen Ort für einige Stunden aus. Immer öfters wehren sich die Einheimischen gegen den Massentourismus, aber auch die Touristen empfinden die riesigen Warteschlangen vor Top-Sehenswürdigkeiten und das Gedränge in den Top Shots vermehrt als unangenehm. Was also tun? Gespräche zwischen allen Beteiligten sind gefragt und die Lösungen müssen möglichst rasch kommen.

Von Hans Stieger, Stiegers Kreuzfahrt Tipps

In Dubrovnik wurden von der zweiten bis zur fünften Staffel der Erfolgsserie „Game of Thrones“ die Aussenszenen für Königsmund gedreht. Das Fantasy-Epos hat dafür gesorgt, dass die Touristenzahlen in der „Perle der Adria“ geradezu explodiert sind. Hinzu kommen die Massen an Kreuzfahrt-Touristen. 538 Kreuzfahrtschiffe haben 2017 742’000 Passagiere ausgespuckt und es werden immer mehr. Dies hat zur Folge, dass in der nur gerade 800 Meter langen Altstadt, aber auch auf der historischen Stadtmauer oft fast kein Durchkommen mehr ist. Mato Frankovic, Bürgermeister der Stadt will nun zu drastischen Massnahmen greifen und die Zahl der Touristen pro Tag auf 4‘000 beschränken, was sogar die UNESCO-Empfehlung von 8‘000 Touristen unterschreitet. Das dürfte die Reedereien kaum erfreuen. Gegenüber der britischen Zeitung „Telegraph“ erklärte der Bürgermeister: „Ich bin nicht dazu da, um die Menschen glücklich zu machen, sondern um die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern.“ Um dieses Ziel zu erreichen, will der Bürgermeister auch bewusst auf Millionen an Einnahmen verzichten. Was die Einheimischen, aber vor allem auch die Arbeitnehmenden dazu meinen, die damit vielleicht ihren Job verlieren, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin wurde zumindest was die Kreuzfahrtschiffe betrifft eine Lösung erreicht. Die Reedereien wollen ihre Anlegezeiten für Dubrovnik entzerren und vermehrt auch andere Häfen in der Adria besuchen. Dubrovnik selbst will bis Ende Jahr eine App anbieten, die anzeigt wann die Altstadt zu voll ist und welche Alternativen ausserhalb der Stadtmauern besucht werden könnten. Im Herbst hat Bürgermeister Mato Frankovic nun Massnahmen angekündigt, die ab 2019 in Kraft treten sollen. Neu dürfen statt wie heute bis zu zehn, maximal zwei Kreuzfahrtschiffe im Hafen anlegen und maximal 5’000 Passagiere in die durch die erfolgreiche TV-Serie «Game of Thrones» weltbekannte Stadt bringen. Bis Ende 2018 werden nach Auskunft der Stadtverwaltung 740.000 Touristen von 440 Kreuzfahrtschiffen Dubrovnik besucht haben. Wenn man die Zahl mit jener von 2017 vergleicht sieht man bereits, dass einige Reedereien Dubrovnik nicht mehr oder nicht mehr so oft anlaufen.

Grandi Navi – no! – Keine grossen Kreuzfahrtschiffe in Venedig

In Venedig treffen jährlich 25 Millionen Besucher auf 55‘000 Einwohner. Für weltweite Schlagzeilen haben Umweltschützer und Einheimische in Venedig gesorgt, als sie grosse Kreuzfahrtschiffe daran hinderten am Markus Platz vorbeizufahren. Sie schwenkten Spruchbänder mit der Aufschrift „Grandi Navi – no!“ (keine grossen Schiffe). Erreicht wurde immerhin, dass in einigen Jahren die grossen Kreuzfahrtschiffe nicht mehr am Markus Platz vorbei fahren dürfen. Neil Palomba, Präsident von Costa Crociere relativiert die Zahlen über die „bösen“ Kreuzfahrer: „Von der 25 Mio. jährlichen Touristen in Venedig sind 6 %, nämlich 1.5 Millionen Kreuzfahrer, also nur ein kleiner Teil.“ Trotzdem müsse man natürlich nach Lösungen für die Touristenströme suchen. Es sei aber, so Palombo, zu einfach, die Überfüllung der Stadt einfach nur den Kreuzfahrern zuzuschieben. Der umtriebige Bürgermeister von Venedig denkt darüber nach, die Touristenströme mit einem Ampelsystem zu lenken. Mit roten bzw. grünen Ampeln sollen sich nach den Vorstellungen von Luigi Brugnaro maximal 65‘000 Touristen gleichzeitig auf dem Markus Platz aufhalten. Außerdem sollen bei zu grossem Andrang auf gewissen Brücken und Gassen Drehkreuze für die Fussgänger eingeführt werden. Während der ersten Test-Phase Ende Mai in diesem Jahr wurden Drehkreuze an der Brücke Ponte della Costituzione, die über den Canale Grande führt und nahe beim Bahnhof Santa Lucia eingerichtet – aber noch nicht angewendet. Bei täglich bis zu 100‘000 Besuchern und sogar 130‘000 Fasnachts-Fans während der Karnevals-Zeit, darf man gespannt sein wie dieser „Numerus Clausus“ funktionieren soll.

Auch auf die Lösung mit Drehkreuzen will die italienische Ferien-Insel Capri setzen. Gemeindepräsident Gianni de Martino erklärte, dass man ähnlich wie Venedig einige Tests durchführen und dann entscheiden werde, wie man in Zukunft die Touristenströme regeln wolle. Gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ sagte De Martino, dass vor allem der Eintagestourismus der Insel zu schaffen mache. Diese Touristen würden während weniger Stunden Gassen und Wege verstopfen, die „richtigen“ Feriengäste verärgern und schlussendlich gar zum Niedergang der durch die blaue Grotte bekannten Ferieninsel beitragen.

Probleme auch auf Mallorca. Mehrere Tausend Mallorquiner demonstrierten gegen Umweltprobleme, überfüllte Strände und teure Wohnungen. Um dem Problem Herr zu werden wurde auf der Lieblingsinsel der Deutschen 2016 eine Kurtaxe eingeführt, die inzwischen bereits verdoppelt wurde. Vier Euro kostet die sogenannte Öko-Steuer. Doch lässt sich mit vier Euro jemand davon abhalten auf Mallorca Ferien zu verbringen, oder ist das nicht vielmehr eine neue Einnahmequelle für die Regierung? 12 Millionen Urlauber (davon rund 4.5 Millionen aus Deutschland) kamen 2017 auf die spanische Insel, 10 % mehr als im Jahr zuvor.

Die Sagrada Familia in Barcelona (Bild Stieger)

In Barcelona schlitzen Extremisten Touristenbus Reifen auf

Ganz krass war ein Vorfall im letzten Sommer in Barcelona. Extremisten der katalanischen Protestorganisation Arran hielten einen Touristenbus an und schlitzen diesem vor den Augen entsetzter Touristen die Reifen auf. Auf die Windschutzscheibe sprayten sie: „Tourismus tötet die Region.“ Zugegeben ein gar krasses Einzelbeispiel, das der spanische Ministerpräsent Rajoy als Tat einiger Extremisten abkanzelte. Gegenseitige Anschuldigungen und Angriffe auf Touristen nützen sicher niemandem. Fakt ist, dass in Barcelona der Fremdenverkehr für 15 % der Wirtschaftsleistung sorgt und für rund 120‘000 Menschen Arbeit bedeutet. Mit fast 9 Millionen Touristen rangiert Barcelona direkt hinter London und Paris. Fast die Hälfte davon besucht Gaudis weltberühmte Sagrada Familia, für die man inzwischen vor Ort praktisch nie mehr Tagestickets bekommt. Ohne Vorreservation im Internet gibt es lange Gesichter bei den Touristen.

Auch Amsterdam kämpft mit zu vielen Touristen und will deshalb die Touristensteuer von bisher 6 (Amsterdam Innenbezirke) bzw. 4 Prozent (Aussenbezirke) auf generell 7 Prozent erhöhen. Ausserdem soll Airbnb soll in den beliebten Amsterdamer Vierteln verboten und ausserhalb auf 30 Tage pro Jahr beschränkt werden. Amsterdam zählt 800’000 Einwohner  bei erwarteten 18 Millionen Touristen.

Auch in der beliebten norwegischen Hafenstadt Bergen will man die Flut an Kreuzfahrt-Touristen eindämmen. Bisher konnten täglich vier Schiffe mit insgesamt 9000 Passagieren anlegen. In Zukunft sind nur noch drei Schiffe mit insgesamt 8000 Gästen erlaubt. Das bestätigte eine Sprecherin von Visit Norway unter Verweis auf Angaben des Hafens in Bergen. Der Stadtrat hat im Herbst 2018 einen entsprechenden Beschluss gefasst, eine notwendige Gesetzesänderung sei geplant. Die neue Regel gilt bereits zum Sommer 2019.

Was jetzt nötig ist um dem Overtourismus Herr zu werden, ist eine Auslegeordnung. Auf der einen Seite muss stehen, wie weit sollen die Touristenströme noch gehen, was bringen diese uns, der Wirtschaft und den Menschen. Auf der anderen Seite muss aber auch geklärt werden, wie die Auswirkungen wären, wenn weniger Touristen kämen, die Grundstücks- und Mietpreise weniger explodieren und sich die Einheimischem weniger über aus- und auffällige Touristen aufregen müssten. Dabei muss man ehrlich sein und bleiben. Nur die Vorteile gibt es nicht. Alles hat zwei Seiten, eine positive und auch eine negative.

Billig-Flieger wie Ryanair oder Easyjet befördern den Massentourismus in Europa. Selbst eher abgelegene Touristen-Magnete wie Island bekommen Probleme. Ins Land der Vulkane strömten 2017 2.3 Millionen Touristen, was eine Vervierfachung innert weniger Jahre bedeutet. Weniger die Massen an Touristen machen den Isländern zu schaffen, als vielmehr die Explosion der Preise, die teilweise horrende Höhen erreichen. Ein Abendessen oder eine Hotelübernachtung ist mittlerweile doppelt so teuer wie in der Schweiz.

Auch Taj Mahal und Chinesische Mauer ächzen unter Massentourismus

Bei all den unerfreulichen Entwicklungen für die Einheimischen in den Touristen-Gebieten, darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass am Massentourismus oder eben Overtourism auch die Touristen selbst immer weniger Freude haben. Die Beschwerden häufen sich immer öfters und mittlerweile nervt sich schon jeder zehnte Tourist über die Menschenansammlungen. Bei den Besuchern der Chinesischen Mauer sind es sogar 25 Prozent.

Auch das weltberühmte Taj Mahal kämpft mit zu vielen Touristen. Die zum UNESCO Weltkulturerbe zählende Grabstätte, die der muslimische Mogul Shah Jahan 1648 für seine verstorbene Frau errichten liess, lockt jährlich 7 Millionen Besucher an. An Spitzentagen sind es bis 70‘000 Menschen, die oft den ganzen Tag in der Anlage verweilen. Um die Besucherströme besser zu verteilen, dürfen Touristen und natürlich auch Einheimische das Taj Mahal neu maximal drei Stunden lang besuchen. Wer länger bleibt muss den Aufpreis für ein neues Ticket bezahlen. Für Touristen kostet der Eintritt 15 Franken, Einheimische bezahlen 60 Rappen. Die Zahl der günstigen Tickets ist auf 40‘000 pro Tag beschränkt.

Zu drastischen Massnahmen musste auch die thailändische Regierung greifen. Der aus dem Film „The Beach“ mit Leonardo di Caprio bekannte Strand Maya Bay auf Ko Phi Phi Leh wird ab diesem Jahr für jeweils vier Monate von Juni bis September gesperrt. Damit soll sich die Natur, vor allem die lokale Meeresfauna, von den täglich bis zu 200 Booten mit bis zu 4‘000 Besuchern erholen können. Nach der Wiedereröffnung im Oktober können die Beach und das vorgelagerte Korallenriff täglich nur noch von 2’000 Touristen besuchen. Boote dürfen nicht mehr direkt am Strand anlegen, sondern müssen an den Piers auf der anderen Inselseite andocken. Aus der Wiedereröffnung wird nicht, wie im April bekannt wird: Die Schäden an den Korallenriffen und den Mangroven sind so riesig, dass die Behörden entschieden haben, die Schliessung auf unbestimmte Zeit zu verlängern – und dies vermutlich sogar jahrelang

Kreuzfahrt-Passagiere sind die Bösen

Wenn man vom Massentourismus spricht so klagt man gerne und immer wieder die Kreuzfahrtschiffe an. Ist natürlich auch ganz leicht, spuckt doch so ein Riesendampfer innert weniger Stunden Tausende von Passagieren und Crew-Mitgliedern in die Städte und auf die Inseln aus. Die Kreuzfahrt-Branche boomt. 75 neue Kreuzfahrtschiffe sind bis 2026 geplant, was in etwa 250‘000 zusätzliche Kabinen bedeutet. Die entspricht einer weltweiten Kapazitätssteigerung um über 40 Prozent. 2019 werden 30 Millionen Kreuzfahrt-Passagiere erwartet. 2022 sollen es bereits 35 Millionen sein. Und diese gigantischen Massen an Menschen werden irgendwo auch an Land gehen. Die Branche ist deshalb eifrig dran, das Gespräch mit den Behörden, mit den Verantwortlichen in Häfen und Tourismus zu suchen. Dabei geht es nicht nur um Abfertigungsanlagen und Verkehrsmittel wie Busse, sondern auch um die Versorgung der Schiffe mit Energie, Treibstoffen und Nahrungsmitteln. Denn auch wenn die Kreuzfahrtschiffe „nur“ für ein Prozent der durch die Schifffahrt verursachten Schadstoffe verantwortlich sind, so gehören Nachhaltigkeit, Verantwortung für die Umwelt ebenso wie die Sicherheit zu den wichtigsten Grundsätzen der Branche. „Wir brauchen mehr Zusammenarbeit und Absprache mit den Häfen und Gemeinden“, sagte Neil Palomba, Präisdent von Costa Kreuzfahrten anlässlich einer Pressekonferenz auf der Costa Favolosa.

Eine einfache, pfannenfertige Lösung für den Massentourismus gibt es nicht und wird es wohl auch in absehbarer Zeit nicht geben. Und dennoch; das Problem drängt und brennt vielen auf den Fingern. Denn eines ist sicher: Die Asiaten, die Chinesischen Touristen haben noch gar nicht so richtig mit Reisen begonnen. Und wenn die erst in Massen kommen….




1 Antwort

  1. […] Dubrovnik und Bergen haben ein gemeinsames Problem: Zu viele Touristen oder auf Neudeutsch: Overtourismus. Gegen die Touristen-Flut kämpfen die Städte mit verschiedenen Massnahmen. Venedig und Amsterdam […]

  2. “Wenn die Asiaten erst kommen” …
    Die sind nicht so wirklich ein Problem. Sie sind zwar viele, aber höchstens 5 Minuten an einem Ort. Vor allem die Japaner haben gelernt, dass man sich abwechselt – selbst auf dem Stratosphere Tower in Las Vegas einmal erlebt: Die Aufzüge spuckten eine Herde Japaner aus, klick-klick-klick, 2 Minuten, dann war alles wieder ruhig.

  3. […] über die eher negativen Folgen des Tourismus, die Überfüllung der Zielgebiete, den sogenannten Overtourism, diskutiert. „Es ist unser ureigenes Interesse, die Zielgebiete besuchenswert zu erhalten, sonst […]

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