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Schiffsarzt Preimesberger: Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen

Jürgen Preimesberger hat mit «Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen» ein spannendes Buch über das Leben als Schiffsarzt veröffentlicht.

Jürgen Preimesberger war und ist seit einigen Jahren als Schiffarzt auf den Weltmeeren unterwegs. Seit 2015 betreibt er eine Landarztpraxis in Neumarkt am Wallersee Mit «Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen» hat er ein spannendes Buch über das Leben als Schiffsarzt veröffentlicht.

Während mehr als sechs Jahren waren Sie als Schiffsarzt auf den Weltmeeren unterwegs. Wodurch unterscheidet sich die Tätigkeit als Schiffsarzt von der eines «Land»-Arztes?

Jürgen Preimesberger: Das Tätigkeitsfeld eines Schiffsarztes ist sehr breit gestreut und reicht von banalen Infekten bis zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Sepsis, Schlaganfall, Hirnblutung, Knochenbrüchen etc. Man ist das letzte Glied in der Kette und gänzlich auf sich gestellt. Die Medizin ist sehr spannend und abwechslungsreich. Man weiß nie, was man als nächstes behandelt. Die medizinische Verantwortung für die Passagiere trägt der diensthabende Schiffsarzt allein, er ist rund um die Uhr für die Gesundheit aller Menschen an Bord zuständig und kann sich auf keine Zweitmeinung oder ein Krankenhaus berufen. Das Bordhospital ist dafür bestens ausgerüstet (komplettes Labor, digitales Röntgen, künstliche Beatmungsmöglichkeit, Intensivbetten), außer chirurgische Notfälle kann man alles behandeln.

Der Weg zum Schiffsarzt ist kein einfacher. Das Recruitment Team, bestehend aus ehemaligen Fachärzten für Notfallmedizin, fischt nach qualifizierten Ärzten auf der ganzen Welt – ich hatte Kollegen aus Südafrika, Russland, Kolumbien, Kanada. Das Anforderungsprofil ist hoch. Um die erste Hürde zu schaffen werden 6 Jahre ärztliche Tätigkeit inklusive weitreichende Erfahrungen in der Notfallmedizin vorausgesetzt. Nach insgesamt 3 Interviews via Skype, in welchen ich online medizinische Fälle lösen musste, wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

An Land kann man immer noch rasch einen Spezialisten zu Rate ziehen. Das ist auf den Meeren nicht immer möglich. Gab es da während Ihrer Zeit auf Kreuzfahrtschiffen auch mal schwierige Entscheidungen?

Medizinische Entscheidungen trifft man gänzlich alleine. Falsche Entscheidungen können zu dauerhaften und schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden oder Tod des Patienten führen. Ein Schiff zur Umkehr zu veranlassen kostet der Reederei ein kleines Vermögen und planmäßige Anlaufdestinationen müssen gestrichen werden, was sicher zum Unmut der Passagiere führt. Schwierige Situationen stehen an der Tagesordnung. Das macht aber den Job sehr spannend.

Sie haben über Ihre Arbeit auf Kreuzfahrtschiffen ein Buch geschrieben. Worum geht es in «Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen»?

Ich erzähle vom völlig anderen Leben an Bord. Der Leser erfährt von den herrlichen Seiten der Kreuzfahrten, vom Publikum, das Abenteuer erleben und unvergessliche Eindrücke gewinnen will. Ich berichte aber auch, welch große medizinischen Herausforderungen ein Schiffsarzt alleine bewältigen muss. Notfälle wie Herzinfarkte, Lungenentzündungen, Lungenödeme sowie Knochenbrüche waren für mich “medizinischer Alltag”.

Ihr Buch ist sehr realitätsnah geschrieben, vorallem das amerikanische Publikum kommt nicht immer gut weg. Weshalb sind die amerikanischen Passagiere schwieriger, als beispielsweise Europäer?

Amerikanische Passagiere kommen teilweise profesionell aufs Schiff um aus Klagen Geld zu machen. Jedes Mittel ist dabei recht-Stürze auf rutschigem Boden, Verbrennungen mit heißen Getränken werden als Klagegrund eingebracht etc. Das erklärt warum mehrere hundert Kameras auf Kreuzfahrtschiffen installiert sind und alles beschildert werden muss. Die Kläger können nichts verlieren, da die Bezahlung des Rechtsanwaltes aus einer 50 % Prämie des Streitwertes besteht. Man erlebt unglaubliches, für europäische Verhältnisse unvorstellbar. Der Druck ist groß, eine falsche Beschwerde oder eine erfolgreiche Klage bedeutet sogleich eine fristlose Kündigung.

Was ich da so alles erfahren und erlebt habe, in meinem Buch “Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen” kann man es nachlesen.

Der Job als Schiffsarzt ist sicher kein bezahlter Urlaub, sondern eher eine 24-Stunden-Beschäftigung – mit welchen Leiden kommen Ihre Patienten an Bord zu Ihnen?

Vor allem das ältere Klientel hat bereits zahlreiche Vorerkrankungen (z.B.: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Herzschwäche etc.)

Es kann jederzeit eine Verschlechterung bzw. Komplikationen auftreten die eine intensivmedizinische Betreuung erfordern. Ja, der Job ist alles andere als ein bezahlter Urlaub.

Sie sind seit 2015 als Mediziner mit eigener Praxis im österreichischen Neumarkt tätig. Sind Sie trotzdem noch von Zeit zu Zeit als Schiffsarzt unterwegs?

3 Wochen im Jahr bin ich nach wie vor als Schiffsarzt unterwegs. Mehr geht leider aus zeitlichen Gründen nicht. Es ist die medizinische Herausforderung und die Liebe zur See, die mich immer wieder zurückkommen lassen.

Mit ihrer eigenen Praxis hatten Sie in den letzten Monaten zweifellos auch fast tagtäglich mit Fragen zum Corona Virus zu tun. Wie beurteilen Sie aus Ihrer Sicht den Neustart von Kreuzfahrtschiffen der Reedereien AIDA, TUI Cruises oder MSC Cruises? Reichen die getroffenen Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen aus oder sollte man eher noch zuwarten?

Meines Erachtens sind die getroffenen Maßnahmen ausreichend. Betagte Passagiere mit Vorerkrankungen sollten sich der Zugehörigkeit einer Risikogruppe bewusst sein, die Hygienevorschriften beachten, Menschenansammlungen meiden, die Sicherheitsabstände einhalten und Masken tragen.

Immer mal wieder gibt es an Bord von Kreuzfahrtschiffen auch Notfälle. Da ist man als Schiffsarzt in Kürze von 0 auf 100. Wie kann man sich auf derartige, unerwartete Notfälle vorbereiten?

Notfälle als Schiffsarzt stehen an der Tagesordnung. Man hat eine gewisse Routine bzw. sind ausreichende Kenntnisse diesbezüglich Voraussetzung um eine Anstellung als Schiffsarzt zu bekommen. Das Medical Team besteht aus 3 Schwestern und dem Stretcher Team. Dabei handelt es sich um 10 Crew Mitgliedern aus unterschiedlichsten Bereichen vom Koch bis zum Kabinensteward, die nach Ertönen des medizinischen Notfallcodes “Code Alpha” zum Ort des Geschehens eilen, das Equipment reichen und Unterstützung leisten (Reanimieren, Lagerung und Abtransport des Patienten zum Hospital). Die Teammitglieder nehmen wöchentlich an simulierten Notfallszenarien bzw. vom Schiffsarzt geleiteten Schulungen teil. Nach jedem Training bzw. Notfall gibt es ein Debriefing, um Fehler zu besprechen bzw. Abläufe zu optimieren. Mit anderen Worten das Medical Team bzw. die gesamte Besatzung sind auf Notfälle bestens vorbereitet und die Abläufe werden in sogenannten wöchentlichen “Drills”-Notfallübungen trainiert.

Sie haben in ihrem Leben sagenhafte 150 Länder bereist. Welches hat bei Ihnen die eindrucksvollsten Eindrücke hinterlassen?

Südamerika hat mich als Reisedestination sehr stark beeindruckt. Das Landschaftsbild bietet alles und die Hochlandkultur ist sehr interessant. Auch war das Reisen mit öffentlichen Bussen eine unvergessliche Erfahrung und sehr abenteuerlich.

Welches ist Ihr persönliches Kreuzfahrt-Highlight?

Die Arktis bzw. Antarktis haben mich in ihren Bann gezogen. Die Stille und das Naturschauspiel sind bezeichnend-einzigartige Orte auf unserem Planeten.

Autoren-Porträt von Jürgen Preimesberger: Jürgen Preimesberger, 1973 in Bad Ischl/Oberösterreich geboren; nach dem Medizinstudium Turnusarzt in Bad Ischl und Linz; ehrgeizig, unternehmungslustig, zielstrebig und verantwortungsbewusst. Expeditionsarzt, Zugarzt in der Transsibirischen Eisenbahn und sechs Jahre lang Arzt auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen. Preimesberger ist der am weitesten gereiste Arzt Österreichs. Er lebt und arbeitet heute als Landarzt in Neumarkt am Wallersee.

7 Antworten

  1. Hi Jürgen, wusste gar nicht dass Du als Schiffsarzt unterwegs warst, tolle Neuigkeiten, wir sehen uns, Gruss Hansi

  2. Ganz anders wie in der Serie das Traumschiff. Spannende Berichte über den Schiffsalltag.

  3. Ideale Kreuzfahrtlektüre. Einfach zu lesen, spannend mit tollen Reisebildern.

  4. Eine gute Mischung aus Kreuzfahrtberichten und Schiffsalltag-spannend und fesselnd!

  5. Absolut lesenswerte, spannende Lektüre!

  6. Das Buch gibt einen ausführlichen Einblick über die Herausforderungen mit welchen ein Schiffsarzt konfrontiert wird und verleiht einen Einblick über den harten Alltag der Schiffscrew. Auch haben mir die detaillierten Reiseberichte und das sehr reichhaltige Bildmaterial sehr gut gefallen. Die richtige Lektüre auf einer Kreuzfahrt.

  7. Sehr spannendes und authentisches Buch. Kann ich nur empfehlen!

  8. […] Jürgen Preimesberger war während sechs Jahren als Schiffarzt auf den Weltmeeren unterwegs. Mit «Code Alpha – coole Drinks und bittere Pillen» hat er ein spannendes Buch über das Leben als Schiffsarzt veröffentlicht. Über sein Leben an Bord informiert er im Sonntags-Interview. […]

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