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CODE ALPHA-Ein Schiffsarzt auf Kreuzfahrten: Jürgen Preimesberger über den Bordalltag

Jürgen Preimesberger ist Auto des Buchs: CODE ALPHA-Ein Schiffsarzt auf Kreuzfahrten

Heute im Sonntags-Interview Jürgen Preimesberger. Er war jahrelang als Schiffsarzt auf den grössten Ozean Kreufahrtschiffen unterwegs.

Jürgen Preimesberger ist auch Autor des Buches „CODE ALPHA-Ein Schiffsarzt auf Kreuzfahrten“, das im Sommer 2023 in 2. Auflage mit zusätzlichem Bericht als Zugsarzt auf der legendären Transsibirischen Eisenbahn erschienen ist.
6 Jahre war Jürgen Preimesberger hauptberuflich der Tätigkeit als Schiffs – und Expeditionsarzt nachgegangen, seit 2015 betreibt er eine Praxis als Allgemeinmediziner in Neumarkt am Wallersee/Salzburg.
Seinen Seesack gänzlich an die Wand zu hängen ist ihm bis dato nicht gelungen. 1- bis 2-mal pro Jahr treibt ihn die Abenteuerlust auf die Weltmeere unseres Planeten oder als Zugarzt auf die Schienen der Transsibirischen Eisenbahn.
Der Ruf der weiten Welt lockte ihn während der Facharztausbildung für Innere Medizin. Der Weg zum Schiffsarzt ist kein einfacher. Das Recruitment Team, bestehend aus ehemaligen Fachärzten für Notfallmedizin sucht qualifizierte Ärzte auf der ganzen Welt -dementsprechend hoch sind die Anforderungen und Qualifikationen, die man erfüllen und in einer mündlichen online Prüfung via Skype unter Beweis stellen muss. Die erste Hürde umfasst eine mindestens 6-jährige ärztliche Tätigkeit mit weitreichender Erfahrung in der Notfallmedizin.
Nach drei Interviews via Skype wurde ich zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch nach London eingeladen, wo ich nach einer mündlichen Prüfung eine Zusage, jedoch noch kein fixes Einsatzdatum bekam. Nach Auslaufen meiner Karenzzeit in der Facharztausbildung flatterte ein Vertrag für eine 4-monatige Tätigkeit an Bord der amerikanischen Disney Cruise Line in meinen Briefkasten. Man gewährte mir nur 4 Tage Bedenkzeit, ansonsten würde ein anderer Kandidat vorrücken. Mitte 30 ging es dann das erste Mal auf hohe See.

Wie würden Sie Ihre Tätigkeit als Schiffsarzt beschreiben und in welcher Hinsicht unterscheidet sie sich von der eines „Land“-Arztes?

Der Aufgabenbereich eines Schiffsarztes ist sehr breit gestreut und reicht von banalen Infekten bis zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Sepsis, Hirnblutungen, Knochenbrüchen stehen an der Tagesordnung. Mit anderen Worten, die meisten Einsätze liegen im Bereich der Notfallmedizin, da das Durchschnittsalter bei 75 Jahren liegt.
Man ist das letzte Glied in der Kette und gänzlich auf sich gestellt. Das medizinische Spektrum ist sehr abwechslungsreich und spannend, man weiß nie, was man als nächstes behandelt. Die medizinische Verantwortung trägt der diensthabende Arzt allein, er ist rund um die Uhr für die Gesundheit aller Menschen an Bord zuständig und kann sich auf keine Zweitmeinung oder ein Krankenhaus berufen.

Jürgen Preimesberger ist Auto des Buchs: CODE ALPHA-Ein Schiffsarzt auf Kreuzfahrten

Jürgen Preimesberger mit seinem Team auf einem Kreuzfahrtschiff

Das Bordhospital ist bestens ausgerüstet (komplettes Labor, digitales Röntgen, künstliche Beatmungsmöglichkeit, Intensivbetten etc.), außer chirurgische Notfälle kann man alles adäquat versorgen. An Land kann man immer rasch einen Spezialisten zu Rate ziehen.

Das ist auf den Meeren nicht möglich. Gab es während Ihrer Zeit auf Kreuzfahrtschiffen auch mal schwierige Entscheidungen?

Medizinische Entscheidungen trifft man gänzlich allein. Falsche Entscheidungen können zu dauerhaften und schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden oder Tod des Patienten führen. Ein Schiff zur Umkehr veranlassen kostet die Reederei ein kleines Vermögen und planmäßige Anlaufdestinationen müssen gestrichen werden, was zum Unmut der Passagiere führt. Schwierige Situationen stehen an der Tagesordnung. Das macht aber den Job sehr spannend.

Was war Ihre schönste und Ihre schlimmste Erfahrung an Bord?

Mein prägendstes Ereignis war ein Patient vor Puerto Rico (ein Außengebiet der U.S.A.), der um Mitternacht einen massiven Herzinfarkt erlitt und sich in akuter Lebensgefahr befand.
Ich habe ihn sofort auf die Intensivstation verlegt und eine systemische Lyse (Medikament zur Auflösung des die Herzkranzgefäße verstopfende Blutgerinnsels) gemacht, da an Bord ja kein Herzkatheter zur Verfügung stand und seine Vitalparameter (Blutdruck, Sauerstoffsättigung etc.) medikamentös mittels Perfusoren (medikamentöse Infusionen) stabilisiert. Der Patient benötigte unbedingt möglichst rasch einen Herzkatheter um einen Stent (Drahtgeflecht zur Offenhaltung des verstopften Herzkranzgefäßes) oder eine Bypassoperation zu erhalten. Nach Kontaktaufnahme mit den örtlichen Coast Guards flog ihn Stunden später ein Hubschrauber in der Nacht in das nächstgelegene Krankenhaus in Puerto Rico, wo man umgehend eine Mehrfach- Bypassoperation durchführte. Am Ende ist glücklicherweise alles gut ausgegangen.
Nach zwei Monaten kam der Patient wieder an Bord und bedankte sich bei meinem Team und mir, dass ich ihm das Leben gerettet habe.
In den U.S.A. muss eine Hubschrauberevakuierung hochgradig indiziert sein, die Entscheidung über eine Verlegung über dem Luftweg wird in einem Komitee aus Notärzten an Land getroffen.
In Afrika steht größtenteils kein Hubschrauber zur Verfügung.
Im arabischen Raum hatten wir einmal eine Frau mit Hirnblutung, es war kein Hubschrauber greifbar, woraufhin ich anfragte, ob vielleicht von einer nahegelegenen Bohrinsel einer anfliegen könnte.
Als sich dann herausstellte, dass es sich bei dem Patienten um eine Frau handelt, wurde uns bzw. ihr eine Evakuierung aus religiösen Gründen gänzlich verwehrt. Generell beschränkt sich die Reichweite eines Hubschraubers auf eine Flugstunde.

Warum geht es in Ihrem Buch Code Alpha- ein Schiffsarzt auf Kreuzfahrten?

Ich erzähle vom anderen Leben an Bord. Einerseits wird der Leser in entlegene Destinationen (Arktis, Antarktis, Kamtschatka, Karibik etc.) entführt, bekommt einen Einblick vom Publikum, das Abenteuer und unvergessliche Eindrücke gewinnen will.

Der Leser bekommt aber auch Eindrücke über den harten Alltag der Crew aus über 80 Ländern fernab der Heimat, welche täglich zwischen 12 und 14 Stunden für 8 Monate schuftet und auf engen Kabinen unter Deck haust.

Ihr Buch ist sehr realitätsnah geschrieben, vor allem aber das amerikanische Publikum kommt nicht immer gut weg. Weshalb ist der amerikanische Kreuzfahrer schwieriger als beispielsweise Europäer?

Amerikanische Passagiere kommen teilweise professionell aufs Schiff um aus Klagen Geld zu machen. Jedes zweckerfüllende Mittel ist dabei recht: Stürze auf rutschigem Boden, Verbrühungen durch heiße Getränke werden als Klagegrund eingebracht. Das erklärt warum hunderte Kameras auf Kreuzfahrtschiffen installiert sind und buchstäblich (jede Stufe, jedes Heißgetränk etc.) beschriftet werden muss.
Die Kläger können nichts verlieren, da die Bezahlung des Rechtsanwaltes 50 % der Streitprämie beträgt. Man erlebt für europäische Verhältnisse unglaubliches. Der Druck ist sehr groß, jede falsche Beschwerde oder eine erfolgreiche Klage bedeutet sogleich eine fristlose Kündigung. Meine Erfahrungen kann man in meinem Buch Cole Drinks und bittere Pillen nachlesen.

In der zweiten Auflage widmen Sie einen Teil des Buches Ihrer Tätigkeit als Zugarzt auf der Transsibirischen Eisenbahn. Wie kam es dazu, dass Sie Zugarzt geworden sind?

Das ist sicherlich mit meiner Reiselust zu begründen. Mittlerweile habe ich ca. 160 Länder bereist. Die konkrete Idee kam durch einen Fernsehbericht über einen Zugarzt. Das fand ich sehr spannend – also habe ich mich beworben. Ich habe vorher nicht gewusst, dass es so etwas überhaupt gibt.

Wie kann man sich den Job als Zugarzt vorstellen?

Man betreut eine kleine Gruppe von Passagieren aus allen Weltteilen. Die Bordsprache ist Englisch. Es steht nur ein kleiner Behandlungsraum zur Verfügung, Notfälle kann man nicht versorgen.
Die Tätigkeit ist aber auch herausfordernd. Einmal musste ich im tiefsten Sibirien einen Gast mit Herzversagen evakuieren, eine unvergessliche Erfahrung. Hier ist es aber nicht das medizinische, sondern das Klientel und die Reise an sich, die mich fasziniert haben und worüber ich ausführlich berichte.

Jürgen Preimesberger ist nicht nur als Schiffsarzt, sondern auch als Zugsarzt bei der berühmten Transsibirischen Eisenbahn im Einsatz

Das klingt alles sehr spannend. Welches ist Ihre persönliche Kreuzfahrt oder Zugarzt-Highlight?

Die Arktis und Antarktis haben mich sehr beeindruckt. Die Stille und das Naturschauspiel fernab jeglicher Zivilisation haben mich verzaubert und in ihren Bann gezogen-einzigartige Orte auf unserem Planeten.

Bereits an Bord begann Jürgen Preimesberger an seinem Buch als Schiffs-bzw. Zugarzt zu schreiben. „Code Alpha“ ist mittlerweile in zweiter Auflage bei Berenkamp (www. berenkamp-shop.at), Thalia Österreich, Morawa, Lehmann Verlag (www.lehmanns.de) sowie im Buchhandel erhältlich.

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