Jahrelang wurde gestritten und demonstriert. Nun ist der Zwist ausgestanden: Die italienische Regierung unter Ministerpräsident Mario Drahi hat entschieden: Ab 1. August 2021 dürfen keine grossen Kreuzfahrtschiffe mehr durch die Lange in Venedig fahren. Konkret sollen die Schiffe nicht mehr durch den Canale della Giudecca, das Bacino di San Marco (Markus-Becken) und den Canale di San Marco im historischen Zentrum fahren. Erlaubt ist die Durchfahrt nur noch kleineren Schiffen mit ca. 200 Passagieren.
Die Lagunenstadt Venedig war bis 1797, bevor Napoleon mit seiner Armee einmarschierte, Hauptstadt der im Jahr 421 gegründeten Republik Venedig und mit damals über 180’000 Einwohnern eine der grössten europäischen Städte. Ganz anders präsentiert sich die Lagunenstadt heute: Im historischen Kern von Venedig und auf den über hundert Inseln, nimmt die Einwohnerzahl stetig ab und beträgt heute nur noch gut 50’000. Diese 50‘000 Venezianerinnen und Venezianer wurden bis vor der Pandemie von jährlich über 33 Millionen Touristen überrollt, das sind pro Tag 90‘000 Besucher. Nur ein kleiner Teil der Touristenströme bilden Kreuzfahrtpassagiere, nämlich gut 1.5 Millionen.
Grandi Navi – no
Während Jahren kämpften viele der noch rund 50’000 in Venedig lebenden Einheimischen gegen die Durchfahrt der grossen Kreuzfahrtschiffe vor ihrem Nationalheiligtum dem Markusplatz und Dogenpalast. Mit grossen Spruchbändern mit der Aufschrift „Grandi Navi – no!“ (keine grossen Schiffe) wurde lautstark gegen die Kreuzfahrt protestiert. Nun haben die Protestierenden (unter ihnen auch die weltberühmte Autorin Donna Leon) gesiegt. Sie kämpften mit Vehemenz dafür, dass das historische und kulturelle UNESCO-Welterbe Venedigs geschützt wird.
Keine Kreuzfahrtschiffe mit über 25’000 BRZ oder über 180 Metern Länge
Der jahrelange Kampf hat sich gelohnt. Die grossen Kreuzfahrtschiffe werden ab dem 1. August 2021 aus dem Zentrum Venedigs verbannt und dürfen nicht mehr am Markusplatz vorbei zur Stazione Marittima fahren. Die Maßnahme der italienischen Regierung betrifft dem Dekret zufolge Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 25.000 Bruttoraumzahl oder einer Länge über 180 Metern beziehungsweise mehr als 35 Metern Höhe. Es gilt auch für Kreuzfahrtschiffe, die gewisse Abgasnormen überschreiten. Dagegen dürfen Schiffe, die als nachhaltig gelten oder nicht unter die Kriterien für das Verbot fallen, weiterhin die Lagune passieren.
Kreuzfahrtschiffe sollen auf den Industriehafen Marghera ausweisen
Als Übergangslösung sollen die Kreuzfahrtschiffe auf den Hafen in Marghera ausweichen, der am Festland und nicht im historischen Zentrum Venedigs liegt. In dem Industriehafen legen derzeit meist Frachter an. Die italienische Regierung will die Anlegestellen für Kreuzfahrtschiffe in Marghera für rund 157 Millionen Euro ausbauen.
Der Hafen im Marghere dürfte aber nur eine temporäre Lösung bleiben. Eine Expertenkommission will in den kommenden beiden Jahren Vorschläge ausarbeiten lassen und diese auf ihre Machbarkeit prüfen. Der Verband der Kreuzfahrt-Reedereien CLIA begrüßt die Maßnahme und hofft damit auf mehr Planungssicherheit in Venedig.